Gesetzliche Erbfolge: Schaubild & 4 Fallstricke beim Erbe ohne Testament
Verstirbt ein Mensch, ohne dass er ein Testament oder Erbvertrag verfasst hat, verteilt sich sein Erbe durch die gesetzliche Erbfolge auf Ehegatte und Verwandte. Wer wie viel Anspruch auf das Erbe hat und wann Erblasser lieber mit einem Testament vorsorgen sollten, erfährst du in diesem Artikel.
Das deutsche Erbrecht erlaubt jeder Person, Regelungen über das Vermögen im Falle eines Todes zu treffen. Das kann beispielsweise durch einen Erbvertrag oder auch durch ein Testament passieren. Hat der Verstorbene jedoch nicht vorgesorgt, dann bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch die Erbfolge.
Das ist die gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge bestimmt die Aufteilung des Nachlasses eines Verstorbenen, wenn der vor seinem Tod kein Testament oder Erbvertrag hinterlassen hat.
Ebenso regelt sie die Verteilung des Erbes, wenn der Erblasser nicht genau definiert hat, wem er welchen Besitz übertragen will.
Bei der gesetzlichen Erbfolge bestimmt das Verwandtschaftsverhältnis, wer wie viel vom Erbe bekommt. Dabei unterteilt der Gesetzgeber die potenziellen Erben je nach Verwandtschaftsgrad in drei Ordnungen.
Der einzige Sonderfall ist der Ehepartner eines Verstorbenen. Sein Erbe wird im Ehegattenerbrecht geregelt. Technisch gesehen gehört er allerdings zu den Erben der ersten Ordnung.
Wenn es Verwandte einer höheren Ordnung gibt, schließt das automatisch aus, dass Verwandte einer niedrigen Ordnung überhaupt etwas vom Erbe bekommen.
Der Nachlass wird immer nur innerhalb einer Ordnung aufgeteilt. Erst, wenn es keine Verwandten in der jeweiligen Ordnung gibt, sind die Erben der niedrigen Ordnung erbberechtigt.
Hier findest du Tipps zum Akzeptieren lernen und Abschied nehmen.
Repräsentationsprinzip und Eintrittsprinzip
Das Repräsentationsprinzip und das Eintrittsprinzip beschreiben die Verteilung des Erbes innerhalb einer Ordnung. Das bedeutet: Auch wenn die Enkelkinder zu den Erben erster Ordnung gehören, erben zuerst die Kinder eines Verstorbenen (Repräsentationsprinzip).
Erst wenn die Kinder nicht mehr leben sollten, geht das Erbe auf die Enkelkinder über (Eintrittsprinzip). Genauso erben bei Verwandten der zweiten Ordnung zuerst die Eltern, nicht aber die Geschwister oder die Nichten und Neffen des Erblassers.
Erst wenn beide Elternteile verstorben sind, haben deren Kinder einen Anspruch auf das Erbe. Sollten die Geschwister des Verstorbenen ebenfalls nicht mehr leben, würde ihren Nichten und Neffen das Erbe zustehen.
Ehegatten in der gesetzlichen Erbfolge
Bei der gesetzlichen Erbfolge werden in erster Linie Kinder und Ehepartner sowie eingetragene Lebenspartner eines Verstorbenen bevorzugt.
Welcher Verwandte wie viel vom Erbe bekommt, hängt auch davon ab, ob die Ehepartner in einer Zugewinngemeinschaft gelebt haben.
Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Eheleute keinen Ehevertrag geschlossen haben und somit über zwei getrennte Vermögen verfügen.
Ohne Zugewinngemeinschaft erhält der Ehepartner ein Viertel der Erbschaft. Hat er mit ihm in einer Zugewinngemeinschaft gelebt, steht ihm darüber hinaus ein weiteres Viertel zu. Er erbt also insgesamt die Hälfte.
Die andere Hälfte des Erbes steht anteilig den Kindern des Verstorbenen zu. Dabei ist es egal, ob die Kinder aus der Ehe stammen oder nicht. Hatte der Verstorbene allerdings gar keine Kinder, erbt der Ehepartner (in einer Zugewinngemeinschaft) sogar drei Viertel des Nachlasses.
Ohne Zugewinngemeinschaft würde er ein Viertel weniger, also die Hälfte bekommen. Das restliche Erbe verteilt sich dann auf die Erben der zweiten Ordnung. Hier zuerst auf die Eltern, dann auf die Geschwister und dann auf Neffen und Nichten. Genauso ist es schließlich auch bei Erben der dritten Ordnung.
Verwandtschaftsgrade: Die gesetzliche Erbreihenfolge im Schaubild
Die gesetzliche Erbfolge ist in drei Ordnungen unterteilt. In der ersten befinden sich die Nachkommen eines Verstorbenen, in der zweiten die Eltern und deren Nachkommen (somit auch die Geschwister, Nichten und Neffen des Verstorbenen).
Erben der dritten Ordnung sind nur sehr selten erbberechtigt, da alle anderen Erben bereits verstorben sein müssen. Hier finden sich Großeltern und deren Nachkommen (Tante, Onkel und Cousinen und Cousins des Verstorbenen).
Erben erster Ordnung: Nachkommen
Die Erben erster Ordnung sind entweder die Kinder oder die Enkelkinder des Verstorbenen. Gibt es mehrere Kinder, teilen sie sich das Erbe gemeinsam mit dem überlebenden Ehegatten.
Hierbei erhalten die Enkelkinder das Erbe (oder einen Teil davon) nur, wenn ihr jeweiliges Elternteil (gleichzeitig das Kind des Verstorbenen) nicht mehr lebt. Den Enkelkindern steht dabei der gleiche Teil des Erbes zu wie es ihrem Elternteil zugestanden hätte.
Innerhalb der ersten Ordnung bildet somit jedes Kind mit seinen Nachkommen einen Stamm, wobei jedem Stamm der gleiche Anteil des Erbes zusteht. Gibt es mehrere Enkelkinder, teilen sie sich den Anteil des Erbes für ihren Stamm.
Beispiel: Hatte der Verstorbene keinen Lebenspartner und drei Kinder, würde jedem seiner Kinder ein Drittel des Erbes zustehen.
Ist davon ein Kind allerdings verstorben, hatte aber zwei Enkelkinder, würden diese in der Erbfolge nachrücken und das Drittel ihres Elternteils bekommen. Den zwei Enkelkindern würde somit je ein Sechstel zustehen, da die beiden anderen Kinder des Verstorbenen immer noch ihre zwei Drittel bekommen.
Erben zweiter Ordnung: Eltern und deren Nachkommen
Erst wenn der Verstorbene keine Kinder und Enkelkinder hatte, geht das Erbe an die Verwandten in der zweiten Ordnung über.
Das sind die Eltern, Geschwister und schließlich Nichten und Neffen des Erblassers. Leben beide Elternteile noch, bekommen sie jeweils die Hälfte des Erbes (wenn es keinen Ehepartner gibt).
Ist ein Elternteil bereits verstorben, geht dessen Hälfte anteilig an seine Kinder über. Das können sowohl direkte Geschwister als auch Halbgeschwister des Verstorbenen sein. Ist unter diesen allerdings ebenso ein Geschwisterteil verstorben, geht dessen Anteil an seine oder ihre Kinder, also die Neffen oder Nichten des Verstorbenen.
Erbschaft dritter Ordnung: Großeltern und deren Nachkommen
Nur in sehr seltenen Fällen geht das Erbe überhaupt an Verwandte in der dritten Ordnung über.
Der Verstorbene hatte dann keine Kinder oder Enkelkinder.
Gleichzeitig sind seine Eltern bereits verstorben und er hatte auch keine Geschwister (oder sie sind ebenfalls verstorben und hatten keine Kinder).
Dann fällt die Erbschaft den Großeltern zu. Auch hier ist die Aufteilung wie in den zwei höheren Ordnungen. Ist ein Großelternteil bereits verstorben, erhalten dessen Nachkommen (Tanten und Onkel des Verstorbenen) dessen Anteil.
Schließlich würden, wenn auch eine Tante oder ein Onkel des Erblassers verstorben ist, auch deren Nachkommen nachrücken – also Cousins und Cousinen des Verstorbenen.
Die gesetzliche Erbfolge bei adoptierten Kindern
Bei adoptierten Kindern ist es entscheidend, ob die neuen Eltern das Kind im minderjährigen Alter oder volljährig adoptiert haben.
War das Kind unter 18 Jahre alt, dann bekommt es die gleiche Stellung wie ein ehelich gezeugtes Kind. Bei der Erbschaft wäre es somit ein Erbe der ersten Ordnung.
Gleichzeitig würde es aber auch die Verwandtschaft zu seinen bisherigen Verwandten verlieren. Bei einer Adoption im volljährigen Alter ist das anders.
Hier verliert das Adoptivkind nicht die verwandtschaftliche Beziehung zu seinen leiblichen Eltern. Es erlangt aber trotzdem die Verwandtschaft mit seinen Adoptiveltern. Hier bezieht sich die Verwandschaft allerdings ausschließlich auf die Adoptiveltern, nicht aber deren Verwandten.
Die gesetzliche Erbfolge nach der Scheidung
Wer sich von seinem Ehepartner hat scheiden lassen, verliert auch das Erbrecht.
Selbst wenn der Ehepartner noch in einem gemeinsamen Testament steht, verliert er meist den Anspruch auf die dort angeordnete Erbschaft.
Wenn einer der Eheleute die Scheidung beantragt, ein anderer hat dieser allerdings noch nicht zugestimmt, gibt es zwei Szenarien.
Hat der Verstorbene die Scheidung beantragt, verliert der überlebende Ehepartner sein Erbrecht. Hat die Witwe oder der Witwer die Scheidung beantragt, dann behält er dieses jedoch.
Darüber hinaus kann ein geschiedener Ehepartner aber auch über den Umweg eines gemeinsamen Kindes einen Anspruch auf Erbe bekommen. Ist dieses nämlich verstorben und selbst kinderlos geblieben, fällt sein Anteil dem anderen Elternteil zu, also dem ehemaligen Ehegatten oder Lebenspartner des Verstorbenen.
Gesetzliche Erbfolge: Wann der Staat Erbe wird
Der Staat bekommt das Erbe nur in zwei Fällen. Entweder weil es keine gesetzlichen Erben mehr gibt, oder weil alle Erben (auch die in einem Testament erwähnten) das Erbe ausgeschlagen haben.
Der Nachlass des Verstorbenen geht dann an das Bundesland über, in dem der Erblasser zur Zeit seines Todes gelebt hat. Hierbei übernimmt das Bundesland sowohl die Vermögenswerte als auch die Schulden des Verstorbenen.
Im Unterschied zu einem gewöhnlichen Erben muss der Staat allerdings nicht für Schulden aufkommen, die nicht mehr vom vererbten Vermögen beglichen werden können. Private Erben haften in der Situation aber auch mit ihrem eigenen Vermögen.
Erbrecht: Fallstricke ohne Testament
Die gesetzliche Erbfolge tritt nur in Kraft, wenn der Erblasser nicht zu Lebzeiten eine andere Erbfolge bestimmt hat.
Dies kann er mit einem notariell beglaubigten Testament oder Erbvertrag tun.
In vielen Fällen akzeptiert das Nachlassgericht aber auch ein privates Testament. Das kann jedes Schriftstück sein, indem der Verstorbene seinen letzten Willen äußert.
Eine spezielle Form braucht es dafür nicht. Relevant ist nur der Inhalt. Das Schreiben eines Testaments zur eigenhändigen Regelung der Erbfolge kann aus mehreren Gründen sinnvoll sein.
Ein unliebsamer Verwandter erbt durch gesetzliche Erbfolge
Streit kann in jeder Familie vorkommen. Hast du dich mit einem Menschen in deiner Familie zerstritten, der bei der gesetzlichen Erbfolge einen Teil deines Erbes bekommen würde?
Dann kannst du ihn im Testament von seinem Erbe ausschließen oder eine Verwaltung des Vermögens anordnen (sodass er das gesamte Geld nicht direkt ausgeben kann).
Bedenke aber, dass Kinder, eingetragene Lebenspartner und unter Umständen auch Eltern einen Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbes durch ihren Pflichtteil haben.
Hier findest du Tipps zur Konfliktbewältigung.
Du hast keine lebenden Verwandten
Du hast keine Verwandte und keinen Lebenspartner? Dann würde dein Erbe in letzter Konsequenz dem Staat zufallen. In deinem Testament kannst du aber einem Freund oder auch einem Verein oder einer Institution ein Erbrecht geben.
Gesetzliche Erbfolge: Streit in der Familie
Vererbst du beispielsweise deinen Kindern und deinem Ehepartner ein Haus, kann es sein, dass sich diese uneinig über die Verwendung der Immobilie sind. Im Zweifel kann dein Ehepartner dann gezwungen sein, das Haus zu verkaufen, um die Kinder auszubezahlen.
Auch hier kannst du mit einem Testament vorbeugen. Du kannst sowohl einem einzelnen Menschen das Haus vererben als auch die Verwendung der Immobilie in den nächsten Jahren vorgeben. Somit könntest du auch einen Verkauf in naher Zukunft ausschließen und Streitfälle schon im Vorfeld verhindern.
Der Ex-Partner wird Erbe
Hast du ein gemeinsames Kind mit einem ehemaligen Partner, dem du dein Erbe nicht vermachen willst? Dann solltest du dies in deinem Testament festhalten. Normalerweise würde bei deinem Tod dein Kind Erbe werden.
Doch verstirbt dieses (und hatte ebenso selbst keine Kinder), würde das Erbe an den Ex-Partner als Elternteil des Kindes übergehen. Das könntest du allerdings in einem Testament ausschließen. Überlege dir aber, ob du das wirklich willst
Hier erfährst du, wie du eine Trennung verarbeitest.
Der Pflichtteil beim Erbe
Unabhängig davon, ob ein Erblasser einen nahen Verwandten in seinem Testament enterbt hat, steht ihm laut Gesetz ein gewisser Pflichtteil des Erbes zu.
Diese Mindestbeteiligung am Erbe schränkt somit den freien Willen des Erblassers ein und rechtfertigt sich mit seiner Fürsorgepflicht für bestimmte Menschen auch über den Tod hinaus.
Der Pflichtteil orientiert sich an der gesetzlichen Erbfolge. Einen Anspruch auf ihn haben nur nächste Angehörige. Das sind Kinder, Ehegatten (oder Lebenspartner) und Eltern.
Bei Erben der ersten Ordnung (also Kindern) rücken deren Nachfahren nach. Bei Erben der zweiten Ordnung (Eltern) ist das nicht der Fall. Geschwister haben somit keinen Anspruch mehr auf einen Pflichtteil des Nachlasses des Verstorbenen.
Die Höhe des Pflichtteils orientiert sich ebenfalls an der gesetzlichen Erbfolge und entspricht immer der Hälfte des Erbes, das ihm demnach zugestanden hätte.
Hatte der Verstorbene zum Beispiel Kinder oder Enkelkinder, haben Eltern keinen gesetzlichen Erbanspruch. Somit stünde ihnen auch kein Pflichtteil zu, da laut gesetzlicher Erbfolge die Erben in der ersten Ordnung gegenüber denen der zweiten Ordnung bevorzugt werden.
Hatte der Verstorbene allerdings zwei Kinder und hat eines von ihnen enterbt, würde dieses trotzdem noch ein Viertel des Erbes als Pflichtteil bekommen, da ihm laut gesetzlicher Erbfolge die Hälfte zustehen würde.
Die Anteile, die ein Ehepartner noch bekommen würde, sind in diesem Beispiel nicht mit einberechnet. Natürlich können Erben ihren Pflichtteil auch ausschlagen. Das ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn der Erblasser insgesamt überschuldet war.
Vorweggenommene Erbfolge
Neben der Möglichkeit, sein Vermögen mit einem Testament oder Erbvertrag an spezielle Erben zu vermachen, können künftige Erblasser das Erbe auch zu Lebzeiten an Menschen weitergeben.
Hierbei handelt es sich um eine vorweggenommene Erbfolge. Viele Menschen machen dies, um die Belastung der Erbschaftssteuer auf das übertragene Vermögen zu mildern.
Denn der Freibetrag für die Erbschaftssteuer gilt für alle Beträge innerhalb von zehn Jahren. Die Freibeträge der Erbschaftssteuer liegen für Ehegatten und Lebenspartner bei 500.000 Euro, für Kinder und Enkelkinder bei 400.000 Euro und für alle anderen Erben bei 200.000 Euro.
Auch wenn diese Freibeträge im ersten Moment hoch erscheinen, so kann sie das Übertragen eines Einfamilienhauses bereits ausreizen oder überschreiten.
Wer also bereits zu Lebzeiten einen Großteil seines Vermögens an einen Erben verschenkt, kann dafür sorgen, dass der Erbe keine Erbschaftssteuer auf das spätere Erbe zahlen muss. Voraussetzung ist dann, dass zehn Jahre zwischen Erbe und Schenkung liegen und auch das Erbe nicht den Freibetrag überschreitet.
Übrigens: Mit einer Sterbegeldversicherung kannst du Hinterbliebene für Kosten einer Beerdigung absichern, aber für die Auszahlung fällt ebenso die Erbschaftssteuer an.