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Fachbuch-Plattform PaperC meldet Insolvenz an

Fachredakteur
Aktualisiert:

Das hochdekorierte und mehrfach mit Wagniskapital ausgestattete Startup PaperC ist pleite. Auch mehrere Modifizierungen des Geschäftsmodells konnten das Unternehmen nicht vor dem Gang zum Insolvenzrichter bewahren.

Gestartet war PaperC (kurz für "Pay per Copy") im Jahr 2009 als Online-Copyshop. Analog zu (Uni-)Bibliotheken konnte auf der Plattform – zunächst zeitlich unbegrenzt – kostenlos in einer Vielzahl von Fachbüchern geschmökert werden. Wollte man eine Textstelle übernehmen, fielen Kosten von einigen Cent pro "kopierter" Seite an.

Anklang bei Verlagen und Geldgebern – aber nicht beim Kunden

PaperC (2010)

An Unterstützung aus der Buchbranche mangelte es nicht, das Sortiment von PaperC wuchs schnell auf mehrere Tausend Titel von Dutzenden renommierten Verlagspartnern. Hinzu kamen schon im Gründungsjahr 2009 Auszeichnungen wie der Innovationspreis des Börsenvereins des deutschen Buchhandel (AKEP Award) und die Auszeichnung zum Startup des Jahres der Branchen-Plattform deutsche-startups.de.

Auch an Wagniskapital mangelte es nicht. Über die Jahre kam in mehreren Finanzierungsrunden – bei institutionellen VCs, Einzel-Investoren und dazu 2012 über eine Crowdfunding-Kampagne – in Summe wohl Kapital im siebenstelligen Euro.Bereich in das ursprünglich in Leipzig beheimatete Startup zusammen.

Vom Online-Copyshop über Bundles zur Flatrate

Woran es bei PaperC hingegen von Beginn an krankte, waren die Erlöse, weshalb das Geschäftsmodell erst zögerlich, dann radikal modifiziert wurde. 2010 wurde der bis dahin unbegrenzte Online-Zugriff auf Bücher mit einem Zeitlimit versehen sowie mit Online-Werbung experimentiert, später kamen eBook Bundles und eine Flatrate-Option für ein Teilsortiment. Zuletzt berichteten wir Mitte 2016 über PaperC – im Zusammenhang mit einer geradezu absurden Gutschein-Aktion, bei der Coupons im Gesamtwert von knapp 100 Euro auf das komplette Sortiment des eBook Store einlösbar waren, ohne jegliche Restriktionen oder Mindestbestellwert. Die Aktion wurde auch von den einschlägigen Schnäppchenblogs aufgegriffen: Wenn PaperC die Digital-Downloads korrekt mit seinen Verlagspartnern abgerechnet hat, sind allein hierbei wohl Kosten von mehreren Hunderttausend Euro für das Jungunternehmen aufgelaufen. Bei wiederkehrenden Umsätzen durch die Neukunden von nahe Null.

Letztes PaperC-Kapitel: Insolvenz wegen Überschuldung

Die Gutscheinschwemme war mit Sicherheit nicht die einzige, aber vielleicht die letzte große unternehmerische Fehlentscheidung in der Geschichte von PaperC, die jetzt ihr Ende gefunden hat. Am vergangenen Mittwoch um 11:45 Uhr wurde beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der PaperC GmbH eröffnet. Grund: Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Die Online-Plattform ist bereits nicht mehr erreichbar.

Analog zum vor wenigen Wochen endgültig gescheiterten Social-Reading-Startup Sobooks kann man PaperC nicht vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Die Konstellation im deutschen (digitalen) Buchmarkt macht die Entwicklung tragfähiger Geschäftsmodelle offenbar zu einer ganz besonderen Herausforderung.

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Kommentare


Schnulli 19. Juni 2018 um 9:23

Im Zusammenhang mit der "geradezu absurden Gutschein-Aktion" sollte vielleicht auch auf den geradezu absurden Verstoß gegen die Preisbindung, den diese Aktion darstellte, hingewiesen werden!

Antworten

Arnoud de Kemp 19. Juni 2018 um 13:31

Ich habe PaperC in den Anfängen sehr unterstützt und sie unter viel Beifall in einer internationalen APE Conference als Start-up vorgestellt, aber war dann aber zunehmend enttäuscht über die geschäftliche Entwicklung. Schlechte Berater oder Eigensinnigkeit?

Antworten

ehapak 28. Juni 2018 um 14:10

Aus Verlagssicht hat mich das Modell nie überzeugt, und ich war von Anfang ebenfalls sicher, dass das auch für Nutzer nicht nachhaltig interessant sein würde. Ich habe mich dann jahrelang über die Begeisterung der Kollegen gewundert und war dann zunehmend davon überzeugt, dass diese einfach nur so viel Umsatz mitnehmen wollten wie möglich. Börsenverein, Fachöffentlichkeit, alle sind begeistert und sahen von Anfang an nicht, wie dünn das Eis gerade an der entscheidenden Stelle war, nämlich beim zahlenden Kunden!

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