Dunning-Kruger-Effekt: 4 Faktoren & 4 Tipps gegen Selbstüberschätzung
Inkompetenz kann zu maßloser Selbstüberschätzung führen. Und genau dieses Phänomen beschreibt der Dunning-Kruger-Effekt. Wie sich dieser genau äußert und was du dagegen tun kannst, erfährst du hier.
Vielleicht hast du auch schon einmal erlebt, dass jemand komplett von seinen Fähigkeiten überzeugt war, obwohl er eigentlich kaum Ahnung hatte. Solche Menschen tendieren dazu, dumme Entscheidungen zu treffen.
Selbst wenn sie später in ihren Vorhaben scheitern, sehen sie die Gründe dafür nicht, die oftmals in ihrer Inkompetenz liegen.
Dunning-Kruger-Effekt: Ausdruck von Inkompetenz
Der Dunning-Kruger-Effekt geht auf die US-Psychologen David Dunning und Justin Kruger zurück, die im Jahr 1999 Experimente zu diesem Phänomen durchführten.
In zuvor durchgeführten Studien bemerkten die Psychologen unter anderem, dass Unwissenheit beispielsweise im Schachspielen zu mehr Selbstvertrauen führte. Darauf bauten sie ihre eigenen Studien an der Cornell University auf.
Sie befragten dazu Studenten der Universität, wie sie ihre Lernfähigkeit einschätzten. Dann führten die Psychologen mehrere Tests mit den Studenten durch.
Die Psychologen beobachteten, dass gerade die Studenten, die in den Tests eher schlecht abschnitten, ihre Lernfähigkeit besonders gut einschätzten. Andersherum unterschätzten intelligente Studenten ihre Leistungen eher. Aus diesen Erkenntnissen formulierten die Wissenschaftler einen Effekt, der sich in vier Stufen gliedert:
- Inkompetente Menschen überschätzen ihre eigenen Fähigkeiten
- Überlegenheit anderer erkennen sie nicht
- Sie können das Ausmaß ihrer Inkompetenz nicht einschätzen
- Bildung ist der Schlüssel zu mehr Kompetenz und der Fähigkeit, sich und andere besser einschätzen zu können
In erster Linie ist ein positives Selbstbild natürlich gut. Dennoch sollte dieses Selbstbild auch der Realität entsprechen. Die meisten Menschen tendieren nämlich dazu, sich selbst zu überschätzen. Richtig problematisch wird es jedoch erst, wenn Menschen zu extremer Selbstüberschätzung neigen.
Dann kann nämlich Narzissmus der Grund für das Verhalten sein. Dabei handelt es sich um eine Persönlichkeitsstörung. Betroffene nehmen sich oft besonders wichtig und nutzen ihre Mitmenschen für ihren Vorteil aus.
Dahinter steckt oft jedoch ein geringes Selbstwertgefühl. Ihren Wert definieren Betroffene über die Anerkennung anderer und halten ihre Mitmenschen daher klein.
Denn gerade der Selbstwert profitiert von Selbstüberzeugung. Bist du besonders von dir und deinen Leistungen überzeugt, ist das Belohnungszentrum im Gehirn sehr aktiv. Du fühlst dich also besser über dich selbst.
Wie du dir eine Meinung über dich selbst bildest
Ohne Vergleichswerte ist es einem Menschen nicht möglich, sich objektiv zu betrachten. Erst der Vergleich mit anderen Menschen ermöglicht es, ein realistisches Selbstbild zu schaffen.
Natürlich solltest du dich nicht ausschließlich an deinen Mitmenschen messen, deine eigene Entwicklung ist natürlich immer noch der beste Maßstab für dich selbst.
Aber ohne die Leistungen deiner Mitmenschen könntest du dich selbst viel schlechter einschätzen und deine eigene Entwicklung beurteilen.
Allerdings kannst du im Vergleich mit Anderen auch dazu tendieren, dich selbst besser darzustellen, als du es eigentlich bist. Du kannst beispielsweise deine Schwächen mit Entschuldigungen herunterspielen, die du bei Anderen nicht akzeptieren würdest.
Gleichzeitig führst du deine Erfolge auf deine Eigenleistung zurück, während du sie bei Anderen purem Glück zuschreibst. Es ist also nur schwer möglich, dich und Andere objektiv einzuschätzen und bedarf viel Selbstreflexion.
Wer vom Dunning-Kruger-Effekt betroffen ist
Dunning und Kruger stellen die These auf, dass Selbstüberschätzung mit Wissen und Bildung vorgebeugt werden kann.
Denn gerade gebildete Menschen wie Wissenschaftler können die Grenzen ihres Wissens oft gut einschätzen. Auch Anfänger zollen der bevorstehenden Aufgabe oft großen Respekt und gehen dementsprechend recht vorsichtig an die Sache heran.
Schwierig wird es allerdings, wenn Menschen über Halbwissen verfügen. Wenn sie bereits kleine Erfolge verzeichnen können, steigt das Selbstvertrauen und eine Selbstüberschätzung ist wahrscheinlich. Auch darum spricht man von gefährlichem Halbwissen.
Erst wenn mehr Wissen dazukommt, gleicht sich die Selbsteinschätzung wieder der Realität an.
Aus diesem Effekt bildet sich eine Art Dilemma. Denn wer Kompetenz erlangen will, muss natürlich mit dem Lernen beginnen. Daraus resultiert irgendwann eine Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, wenn erste kleine Erfolge wahrzunehmen sind.
Erst wenn du dieses Wissen dann weiter ausbaust, kannst du dem Dunning-Kruger-Effekt entgegenwirken.
Dunning-Kruger-Effekt vermeiden: 4 Tipps
Vor dem Dunning-Kruger-Effekt kannst du dich nur schwer wappnen. Denn wenn du selbst in dieses Verhalten verfällst, ist dir das in dem Moment gar nicht bewusst. Du selbst denkst nämlich, dass deine Fähigkeiten schon viel besser sind, als sie es eigentlich sind.
In der Regel können dir jedoch drei Verhaltensweisen helfen, dem Dunning-Kruger-Effekt vorzubeugen. Diese sorgen nämlich dafür, dass du realistisch bleibst, dich stetig weiterentwickelst und eine gewisse Demut vor dem angeeigneten Wissen bewahrst.
Bescheidenheit
In erster Linie hilft natürlich Bescheidenheit dabei, Selbstüberschätzung zu vermeiden. Schon Sokrates sagte: ”Ich weiß, dass ich nichts weiß.“
Damit gab er als Gelehrter die Grenzen seines eigenen Wissens zu. Und auch wenn du erkennst, dass du in jeglichem Wissen stets nur Anfänger bleibst und deine eigenen Fähigkeiten nicht in die Höhe hebst, kannst du mit Bescheidenheit dem Dunning-Kruger-Effekt vorbeugen.
Selbstreflexion
Im nächsten Schritt kann dich auch kritische Selbstreflexion dabei unterstützen, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. Nur wenn du deine eigenen Fähigkeiten und Leistungen stetig hinterfragst, kannst du sie mit der Realität abgleichen.
Frage dich, was du wirklich weißt und wie viel du in diesem Gebiet noch lernen kannst. Natürlich solltest du deine Erfolge nicht klein reden.
Machst du dir jedoch bewusst, wie viel Wissen es noch gibt, das du lernen kannst, zeigst du dir die Grenzen deiner eigenen Fähigkeiten auf und kannst das Dunning-Kruger-Syndrom also vermeiden.
Disziplin
Darüber hinaus ist Disziplin gefragt, um dein Wissen immer weiter auszubauen. Denn wenn du dich auf deinen Fähigkeiten ausruhst, bist du schnell anfällig für den Dunning-Kruger-Effekt.
Arbeitest du jedoch stetig an deinem Wissen, forderst dich und strebst nach mehr Bildung, lernst du auch, dich selbst besser einschätzen zu können.
Lasse dich dabei nicht von Rückschlägen entmutigen und arbeite auf dein Ziel hin. Versuche nicht bequem zu werden und dich auf deinem Halbwissen auszuruhen, sonst kannst du schnell das Dunning-Kruger-Phänomen entwickeln.
Mache zwischenzeitlich aber auch Pausen und überfordere dich nicht. Lasse dein Wissen sacken und reflektiere es, damit du weißt, wo du stehst.
Feedback
Manchmal hilft es auch, wenn du dein Urteil über dich selbst nicht nur eigenständig fällst, sondern auch deine Mitmenschen um ihre Meinung bittest. Im Vergleich mit deinen Mitmenschen kannst du nämlich ein objektiveres Bild von dir bekommen.
Allerdings ist auch deine Meinung über andere immer subjektiv. Befrage daher deine Mitmenschen, ob sie dir Feedback bezüglich deiner Fähigkeiten geben.
Weißt du beispielsweise nicht, warum du bei einer bestimmten Sache gescheitert bist, kannst du dir bei anderen Klarheit verschaffen.
Halte dir jedoch vor Augen, dass sie ebenfalls subjektiv über dich denken, ihnen eventuell wichtige Informationen über dich fehlen oder sie eine besondere emotionale Bindung zu dir haben, die ihre Meinung verzehren kann.
Folgen von Selbstüberschätzung
Selbstüberschätzung kann mit erheblichen Folgen einhergehen. Denn dein eigenes Unvermögen erkennst du in diesem Fall nicht und triffst Entscheidungen auf Basis deiner Inkompetenz. Dennoch müssen die Folgen nicht immer negativ sein.
Gefährliche Fehlentscheidungen
Der Dunning-Kruger-Effekt ist nicht ungefährlich. Menschen, die ihre eigene Inkompetenz nicht erkennen, neigen nämlich dazu, Fehlentscheidungen zu treffen, die erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Solch ein Verhalten kann zu körperlichen Schädigungen wie einer Verletzung führen oder gar zu finanziellen Krisen, wenn die eigenen Leistungen überschätzt werden. Je nach Person kann das sogar dramatische Auswirkungen auf die gesamte Menschheit haben.
Mittlerweile gehen Wissenschaftler davon aus, dass einige verheerende historische Ereignisse wie der Erste Weltkrieg auf eine solche Selbstüberschätzung bestimmter Akteure zurückzuführen sind.
Anfälligkeit für Falschinformationen
Darüber hinaus sind Betroffene besonders anfällig für Falschinformationen. Sie überschätzen nämlich ihre Fähigkeit, eben solche als falsch zu erkennen. Ihr Halbwissen nehmen sie zum Anlass, sich als Experten darzustellen.
Nur erkennen sie dabei ihre Selbstüberschätzung nicht. Stoßen sie dann beispielsweise im Internet auf Falschinformationen, neigen sie schneller dazu, diese zu glauben und als eigentliche Wahrheit wahrzunehmen. Dass sie nur aus ihrer Inkompetenz heraus handeln, ist ihnen dabei nicht klar.
Erfolg im Berufs- und Privatleben
Selbstüberschätzung muss jedoch nicht nur mit negativen Folgen einhergehen. Denn Betroffene verfügen oftmals über ein starkes Selbstbewusstsein, wenn auch auf falscher Grundlage.
Trotzdem kann gerade solch ein selbstbewusstes Auftreten, etwa beim Vorstellungsgespräch oder Daten, viele Vorteile mit sich bringen. Selbstsicherheit sorgt nämlich dafür, dass dir mehr zugetraut wird und du begehrenswerter wirkst.
Zwar beruht diese Sicherheit dann nicht auf echter Grundlage. Du kannst andere so aber unwissentlich blenden.
Der Unterschied zu Narzissten und Betrügern besteht darin, dass sich Betroffene gar nicht bewusst sind, dass ihr Selbstbewusstsein auf keine solide Grundlage baut. Die Gefahr besteht dann, dass ihre Inkompetenz irgendwann auffliegt und sie wiederum mit den Folgen leben müssen.
Hochstapler-Syndrom als Gegenteil vom Dunning-Kruger-Effekt
Genau wie der Dunning-Kruger-Effekt ist auch das Hochstapler-Syndrom ein häufig auftretendes Phänomen. Allerdings sagt das Hochstapler-Syndrom (auch Impostor-Syndrom) genau das Gegenteil aus, nämlich dass Betroffene sich unterschätzen.
Dabei führen sie ihre Leistungen und Erfolge nicht auf ihre eigenen Fähigkeiten zurück, sondern auf pures Glück. Ihre Misserfolge halten sie dagegen für ihr eigenes Verschulden.
Das führt soweit, dass sich Betroffene bei Erfolg als Betrüger wahrnehmen und mit der konstanten Angst leben, irgendwann entlarvt zu werden.
Zurückzuführen ist das Impostor-Syndrom auf starke Selbstzweifel, geringes Selbstvertrauen und das Gefühl, nicht dazuzugehören. Daher betrifft das Hochstapler-Syndrom vor allem Menschen, die aus einem bildungsfernen Elternhaus stammen und eine akademischen Laufbahn einschlagen.
Wenn auch du das Gefühl hast, deine Leistungen eher klein zu reden als zu überschätzen, solltest du gegen das Impostor-Syndrom vorgehen. Du kannst selbst kleine Schritte unternehmen oder dir professionelle Unterstützung suchen. Selbst kannst du folgende Tipps beherzigen:
- Negative Verhaltensweisen erkennen
- Realistische Anforderungen stellen
- Kleine Erfolge wertschätzen
- Misserfolg als Chance wahrnehmen
- Lob annehmen
Wichtig ist, dass du dir Zeit nimmst, die negative Gedankenspirale zu durchbrechen. Dafür brauchst du Geduld und Disziplin. Doch es lohnt sich, ein positiveres Selbstbild zu fassen.
Finde dabei ein gutes Maß. Denn Selbstunterschätzung ist ebenfalls ungesund und kann dir schaden. Was du sonst noch gegen das Hochstapler-Syndrom unternehmen kannst, erfährst du hier.
Dunning-Kruger-Effekt versus Peter-Prinzip
Auch beim Peter-Prinzip geht es um Inkompetenz und Unfähigkeit. Allerdings beruht diese These nicht auf der eigenen Selbstüberschätzung, sondern auf einem Hierarchie-System, in dem jeder irgendwann eine Stufe der Unfähigkeit erreicht.
Das ist vor allem in der Arbeitswelt der Fall. Dort wird eine Person in der Regel solange befördert, wie sie einen guten Job macht.
Erst wenn die Leistung abflacht, verharrt sie in der Position, in der sie eben nicht mehr mit voller Kompetenz abliefern kann. So passiert es, dass sich mit der Zeit nur noch unfähige Menschen in relevanten Positionen befinden.
Gleichzeitig können aber auch Beschäftigte in niedrigeren Positionen nur mäßige Leistung bringen, da ihre Kompetenzen eher in ihrer Führungskraft liegen.
Weil sie jedoch in unteren Positionen nicht volle Leistung bringen können, ist eine Führungsposition eher unwahrscheinlich. So gibt es Unfähigkeit in jeder Hierarchiestufe.
Der Unterschied zum Dunning-Kruger-Effekt besteht darin, dass sich die Betroffenen hier nicht selbst überschätzen, sondern von Außenstehenden falsch eingeschätzt werden.
Während den Betroffenen beim Dunning-Kruger-Effekt dumme Fehler passieren, weil sie ihre eigene Unfähigkeit nicht erkennen, passieren ihnen beim Peter-Prinzip solche Fehler, weil sie auf eine Hierarchiestufe gestellt wurden, die sie überfordert.
Ihre Inkompetenz beruht also auf äußeren Gegebenheiten, während beim Dunning-Kruger-Effekt die innere Einstellung zur Selbstüberschätzung führen kann.