Altruismus: 3 Vorteile & 6 Risiken von Selbstlosigkeit
Altruisten, Gutmenschen, Selbstlose – sie alle beschreiben dasselbe Phänomen. Sie stellen ihre Bedürfnisse für das Wohl anderer zurück. Das kann viele Vorzüge haben, aber auch Risiken bergen. Wir stellen die wichtigsten Punkte vor.
Definition von Altruismus: Ein Leben für das Wohl anderer
„Der ideale Mensch verspürt Freude, wenn er anderen einen Dienst erweisen kann.“ – das wusste schon Aristoteles. Altruisten sind selbstlos. Sie opfern ihr Hab und Gut, ihr Geld und ihre Zeit, damit es anderen Menschen gut geht. Für sie ist ihre Wohltätigkeit eine Pflicht.
Das kann glücklich machen, aber auch eine Belastung sein. Ihre Gedankengänge sind den meisten Menschen fremd. Nicht selten überlegen Altruisten einen besser bezahlten aber unliebsamen Job anzunehmen, um mehr Geld spenden zu können.
Viele Menschen denken nur an sich selbst und sind egoistisch. Jeder scheint nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Für Wohltätigkeit erhoffen sich die meisten eine Gegenleistung, wenn auch nicht materiell, dann wenigstens Anerkennung.
Das unterscheidet die meisten Menschen von Altruisten. Während andere Menschen sich in der Öffentlichkeit für wohltätige Zwecke einsetzen, tun Altruisten dies meist still und heimlich. Ihre altruistische Ader ist ihnen sogar unangenehm, denn sie möchten nicht, dass andere Menschen sich aufgrund ihrer Wohltätigkeit schlecht fühlen.
Sie erwarten keinen Nutzen aus ihrem Verhalten. Ganz im Gegenteil: ein möglicher Schaden ist ihnen egal, wenn sie anderen Menschen mit ihrem Verhalten helfen.
Die einen sehen Altruismus als einen wichtigen Wert, die anderen halten nicht viel davon. Gerade in der heutigen Zeit ist Altruismus jedoch von Bedeutung. In einer vernetzten und globalisierten Welt sind die Menschen meist von völlig fremden und weit entfernten Menschen abhängig. Kooperation ist dabei unumgänglich.
Besonders großzügig und selbstlos sind Menschen jedoch nur dann, wenn ihnen diese Abhängigkeit bewusst ist. Selbstlosigkeit ist nämlich vor allem emotional gesteuert. Daher bringen reine Appelle und Aufrufe in Sachen Wohltätigkeit meistens wenig.
Viele Menschen sind nur dann wohltätig, wenn sie von einem Problem direkt betroffen sind. Sie engagieren sich, weil sie sich sonst unglücklich machen würden. Verschiedene Faktoren können dabei eine Rolle spielen:
- Eine Person aus ihrem näheren Umfeld braucht Hilfe
- Sie haben Mitgefühl mit einer Person
- Sie fühlen sich verantwortlich für die Lage anderer Menschen
- Sie sind die einzigen, die in dieser Situation helfen können
- Sie besitzen die Ressourcen, um zu helfen
Effektiver Altruismus
Der Effektive Altruismus bezeichnet eine soziale Bewegung aus den frühen 2010ern. Anhänger der Bewegung versuchen ihre Ressourcen, ihre Zeit und ihr Geld möglichst sinnvoll zu investieren, um einer möglichst großen Anzahl an Menschen und Tieren zu helfen.
Um das größtmögliche Wohl für die größtmögliche Zahl zu ermitteln, wird auf rationale Argumente wie die Kosten-Nutzen-Rechnung zurückgegriffen. Sie setzen sich für die Probleme in der Welt ein, unter denen ihrer Meinung nach die meisten Menschen leiden. Die Effektivität bei Problemlösungen spielt für sie eine vordergründige Rolle.
Reziproker Altruismus
Der Reziproke Altruismus ist ein Begriff aus der Biologie und der Evolution. Hier wird Altruismus nicht mit Selbstlosigkeit gleichgesetzt, sondern mit Egoismus verbunden. Reziproker Altruismus setzt auf eine Gegenseitigkeit.
Es ist also ein unausgesprochener Vertrag, ein Versprechen, dass altruistisches Verhalten mit einer guten Tat zurückgezahlt wird. Wenn ein Arbeitskollege deine Schicht übernimmt, erwartet er wahrscheinlich, dass du im Gegenzug einmal seine Schicht übernimmst. Dieses Verhalten nennt man Reziproken Altruismus.
Ist altruistisches Handeln überhaupt möglich?
Ob altruistisches Verhalten überhaupt möglich ist, ist umstritten. Dass es unmöglich ist, gänzlich altruistisch zu handeln, könnte das Beispiel von Mutter Theresa beweisen.
Mutter Theresa gilt als das Symbol für Altruismus, doch auch sie war scheinbar nicht ganz selbstlos. Altruismus bezeichnet die Eigenschaft ohne Gegenleistung Gutes tun zu wollen.
Allerdings bestätigte Mutter Theresa immer wieder, dass ihre Arbeit mit den Ärmsten, ihre Aufopferung und ihr beharrlicher Einsatz, ihr viel Freude bereitete. Durch ihren Einsatz empfand sie eine tiefe Dankbarkeit. Ist Mutter Theresa also egoistisch? Ihr aufopferndes Verhalten brachte ihr schließlich Freude und Dankbarkeit.
Jeder Mensch würde diese Frage wohl mit "Nein" beantworten. Mutter Theresa handelte selbstlos. Sie konnte sich an ihrer Arbeit zwar erfreuen, doch half sie nicht vordergründig aufgrund der Freude, sondern weil sie helfen wollte.
Freude und Dankbarkeit waren nur ein Nebeneffekt, der mit ihren Taten einherging. Altruistisches Handeln ist also möglich, auch wenn ein positiver Nebeneffekt für den Altruisten entsteht. Wichtig ist die Absicht und die Einstellung, die hinter den Taten steckt. Der Nebeneffekt sollte niemals im Vordergrund stehen.
Warum du altruistisch handeln solltest
Auch wenn die Vorteile und Nebeneffekte altruistischen Handelns im Hintergrund stehen sollten, so sind sie doch erwähnenswert. Wer sich reziprok altruistisch verhält, motiviert sich mit diesen Vorteilen vielleicht sogar vermehrt Gutes zu tun. Altruismus kann den Weg zu einem erfüllten Leben ebnen, denn altruistisches Verhalten hat einige positive Nebeneffekte.
Glücklich sein durch Selbstlosigkeit
Selbstlosigkeit offenbart dir ein völlig neues Verständnis von Glück. Wer selbstlos handelt und sich in den Dienst anderer stellt, kommt seinem Glück ein großes Stück näher. Verhältst du dich dagegen egoistisch und bist nur auf deinen eigenen Vorteil aus, wirst du nach immer mehr streben und nie mit dem zufrieden sein, was du hast. Das macht auf Dauer unglücklich.
Wenn du dich für das Wohl anderer einsetzt, kannst du mit ruhigem Gewissen ins Bett gehen und wirst sehr viel Dankbarkeit erfahren. Du leistest deinen Beitrag für eine bessere Welt. Das macht dich glücklich und zufrieden und steigert dein Selbstwertgefühl.
Altruismus führt zu mehr Dankbarkeit
Altruismus öffnet dir die Augen. Wenn du dich vermehrt für die Belange der Hilfsbedürftigen einsetzt und mit dem Elend dieser Welt konfrontiert wirst, weißt du dein eigenes Leben, deine Besitztümer und die Menschen, die dich lieben, mehr zu schätzen.
Du lernst die kleinen Dinge im Leben besser wertzuschätzen und erfreust dich schon an dem liebevollen Lächeln eines Fremden. Du bist dankbarer und damit einhergehend ausgeglichener und glücklicher.
Eine Inspiration für andere
Mit deinem selbstlosen Handeln bist du ein Vorbild für andere Menschen. Du gehst als gutes Beispiel voran und inspirierst vielleicht sogar andere Menschen dazu, sich mehr zu engagieren und sich für Hilfsbedürftige einzusetzen.
Du regst sie dazu an, ihr Verhalten zu reflektieren und die Konsequenzen aus ihren Handlungen zu ziehen. So machst du die Welt ein Stück weit besser, indem du mehr Menschen für Wohltätigkeit begeisterst.
Altruismus: Das sind die Risiken
Neben den Vorteilen gibt es auch einige Risiken bei Selbstlosigkeit. Nicht ohne Grund gibt es Gegner von Altruismus, darunter der berühmte Autor Oscar Wilde: "Die meisten Menschen verderben sich ihr Leben selbst durch einen gewissen ungesunden, forcierten Altruismus." Damit hat er nicht ganz unrecht, denn zu viel Selbstlosigkeit kann statt zu Glück zu Unglück führen.
Altruisten unterscheiden nicht zwischen Familie und Fremden
Viele Menschen, die von Natur aus altruistisch denken, unterscheiden in ihrem Handeln nicht zwischen Familie und Fremden. Das klingt erst einmal positiv, kann den Altruisten jedoch ins Unglück stürzen.
Wenn eine nahestehende Person erkrankt und Geld für eine Therapie braucht, geraten wahre Altruisten in einen Konflikt. Sie fragen sich, warum sie ihr Geld dieser einen Person geben sollten, wenn sie mit dem Geld mehrere Kinder in Afrika vor dem Verhungern retten könnten.
Dabei ist es egal, ob die kranke Person der Cousin eines Freundes oder die Mutter ist. Wenn sie zwischen einer nahestehenden und mehreren geretteten Personen entscheiden müssen, fällt Altruisten die Entscheidung nicht leicht. Für die meisten anderen Menschen wäre diese Entscheidung einfach. Natürlich würden sie sich für die nahestehende Person entscheiden.
Selbstaufopferung
Altruistische Menschen neigen zur Selbstaufopferung. Durch ihre Selbstlosigkeit können sie ihre eigenen Bedürfnisse vergessen. Sie verwenden all ihre Ressourcen für das Wohl anderer und führen ein Leben am Existenzminimum.
Sie kümmern sich nicht um sich selbst, ihre Familie und Freunde und riskieren ihr eigenes Glück für das Glück anderer. Dieses Verhalten schlägt mit der Zeit auf die Gesundheit. Für das eigene Wohlergehen ist es wichtig, sich um sich selbst zu kümmern und gezielt Auszeiten zu nehmen.
Helfersyndrom, Depressionen, Burnout
Selbstaufopferung kann einige Erkrankungen mit sich ziehen. Vor allem wenn die Selbstlosigkeit daher rührt, dass der Betroffene sich Anerkennung und Bestätigung erhofft, kann das schnell zu Depressionen, Burnout und einem Helfersyndrom führen.
Die Betroffenen haben oft Probleme damit "Nein" zu sagen und Angst davor, nicht gemocht zu werden. Deshalb möchten sie es allen Recht machen. Das kann allerdings schnell überfordern und die Betroffenen an ihre Grenzen bringen. In diesem Fall solltest du dir dringend Hilfe holen.
Mangel an Selbstbewusstsein
Diese Form der Selbstaufopferung gründet sich oft auf einen Mangel an Selbstbewusstsein. Die Betroffenen fühlen sich nur dann wertgeschätzt und geliebt, wenn sie ihr Leben in den Service anderer stellen. Nur wenn sie gebraucht werden, sehen sie einen Sinn in ihrem Leben. Diese Denkweise deutet auf ein fehlendes Selbstwertgefühl hin.
Altruismus als Gegengewicht zu Egoismus
Altruismus kann nicht immer getrennt von Egoismus gedacht werden, denn Egoismus und Altruismus sind zwei Gegengewichte, die im besten Fall einander die Waage halten. Wer ausschließlich altruistisch handelt, wird sich dabei komplett vergessen und opfert sich selbst für die Belange anderer.
Deshalb sollte der Mensch sich immer ein Stück Egoismus bewahren, damit er seine Bedürfnisse nicht vergisst. In vielen Fällen ist es schwer die Grenzen zwischen Egoismus und Altruismus festzulegen. Die beiden Bereiche können ineinander übergehen, wie es auch bei Mutter Theresa der Fall war. Andere Gefühle wie beispielsweise Mitgefühl sind weder egoistisch noch altruistisch.
Altruismus als Ausdruck von Egoismus
Manche Menschen argumentieren, dass Altruismus nur ein weiterer Ausdruck von Egoismus ist. "Selbstlosigkeit ist ausgereifter Egoismus." – das betonte nicht zuletzt Oscar Wilde. Auch Forscher bestätigen dieses Phänomen.
Altruistische Handlungen lösen im Körper dieselben Reaktionen aus wie Sex oder eine Tafel Schokolade. Altruismus kann dadurch zu einer Sucht werden. Dabei wollen die Betroffenen immer wieder die Glücksgefühle haben, die sie bei altruistischen Handlungen fühlen.
Dieses Verhalten ist egoistischen Ursprungs, denn es sind die Glückshormone, die sie zu selbstlosen Taten motivieren, nicht der Wille jemand anderem uneigennützig zu helfen. Auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen Altruismus und Egoismus.
Kommentare
Uwe Ocken 25. Dezember 2019 um 13:10
Bei den verschiedenen Formen des Altruismus vermisse ich die religiösen Motive,
die manche Menschen dazu antreiben, altruistisch zu handeln. Manche Menschen
handeln nur altruistisch, weil sie sich dafür eine Belohnung im Jenseits erhoffen.
Hier muß allerdings bezweifelt werden, ob man das wirklich altruistisch nennen
kann. Oscar Wilde und Albert Camus – zwei grundverschiedene Menschen – haben
sich ebenfalls zu diesem Thema geäußert.
Walter Paulsen 14. August 2020 um 12:09
Wir Menschen haben nur zwei gesicherte Erkenntnisse, alles andere ist Vermuten und Meinen.
Eine ganz gesicherte Erkenntnis ist die, dass die materielle Welt unvollkommen ist. Darum gibt es den ewigen Wandel. Die Unvollkommenheit der Menschen wird begleitet mit den sehr unterschiedlichen Talenten die die Menschen haben. Aus diesem Grund zwingt uns die Natur zum gemeinsamen Handeln. Alles lebt vom gegenseitigen Nutzen. Leider gibt es noch viele Menschen die meinen „… vom gegenseitigen Ausnutzen leben zu müssen.“ Diese Menschen sind auf dem Weg der „Mensch-Werdung“ leider noch nicht so weit entwickelt und leben noch in der Verhaltensweise der Tiere. Wir müssen unsere Unvollkommenheit anerkennen und uns mit unseren unterschiedlichen Talenten gegenseitig helfen. Abarten in diese oder jene Richtung wird es leider immer geben.
Eine zweite gesicherte Erkenntnis ist die, dass alles ein Gegenteil hat. Das Gegenteil der materiellen „ICH-Welt“ ist die Nicht-materielle „WIR-Welt“. Wir Menschen haben über „das Lernen über das Leiden“ im Verlauf der Evolution einen Verstand mit der Vernunft erhalten. Vor über 2000 Jahren hat uns Christus erklärt, dass wir mit dem Verstand und der Vernunft „das Lernen über das Leiden“ beenden können, indem wir unsere „ICH-Welt“ in eine „WIR-Welt“ wandeln. Erst wenn wir dieses Ziel erreicht haben leben wir auf Erden bereits in der „WIR-Welt“, also im Vorzimmer des Himmels, ohne „Lernen über das Leiden!“ sondern mit dem Verstand und der Vernunft. Wie viele 1000 Jahre müssen noch vergehen, bis wir Menschen Christus endlich verstanden haben??? Solange wir Christus nicht verstanden haben lernen wir weiter über das Leiden und speichern unsere Atombomben weltweit. Solange leben wir in der Verhaltensweise der Tierwelt und warten auf den Fortschritt der „Menschwerdung!“
Rosenfeld 26. Juli 2020 um 2:45
Heute betrachte ich Altruismus als Krankheit, so schlimm hat es mir damit geschadet . Ich bin 65 Jahre alt und weiß worüber ich rede: sehr lange psychisch belastet. Ein Albtraum aus heutiger Sicht.
Maja 4. Dezember 2021 um 20:36
Rosenfeld, wie sind Sie da wieder "rausgekommen? Oder gelernt damit umzugehen? Ich beobachte bei meiner Partnerin das gleiche, aber trotz Therapie gibt es bisher keine Besserung…