Egoismus: 6 Merkmale & 5 Tipps bei egoistischem Verhalten
Wie egoistisch ist der Mensch? Und wie schlimm ist es, egoistisch zu sein? Gibt es auch gesunden Egoismus? Diesen und weiteren Fragen rund um das wichtige Thema sind wir für dich nachgegangen.
Egoismus bedeutet Ichbezogenheit und gilt als sehr unangenehme Eigenschaft. Vom Gefühl her glauben die meisten Menschen zu wissen, was damit gemeint ist. Doch das Thema hat viele Facetten.
Definition: Was Egoismus bedeutet
Der Begriff Egoismus ist eine Zusammenziehung aus dem lateinischen Wort "ego" und der griechischen Endung "-ismus". "Ego" bedeutet "ich" und damit ist die Grundbedeutung des Wortes Egoismus schon angedeutet:
Egoismus bedeutet Ichbezogenheit, Eigeninteresse oder Eigennützigkeit. Wer egoistisch ist, sieht den eigenen Vorteil als besonders wichtig an. Das verbindet man häufig mit Rücksichtslosigkeit.
Synonyme oder eng verwandte Begriffe sind:
- Eigennutz
- Selbstsucht
- Ichsucht
- Ichbezogenheit
- Eigeninteresse
- Narzissmus
Das Gegenteil zu Egoismus ist Altruismus vom lateinischen "alter", was "der andere" bedeutet. Wer egoistisch handelt, denkt also in erster Linie an sich selbst. Wer altruistisch handelt, denkt in erster Linie an andere.
Im engeren Sinne gilt ein Verhalten dann als egoistisch, wenn dabei nur die eigenen Vorteile wichtig sind. Schäden und Nachteile für andere werden dabei bewusst in Kauf genommen.
Im weiteren Sinne könnte man fast jedes menschliche Verhalten (auch) als egoistisch einordnen. Selbst altruistische Handlungen haben immer auch persönliche Vorteile. Zum Beispiel werten sich Menschen damit auf. Dazu im nächsten Absatz mehr.
Sind Menschen von Grund auf egoistisch?
Es gab im Laufe der Geschichte immer wieder Philosophen, die den Menschen an sich als egoistischen Einzelgänger beschrieben haben. Jeder Mensch denke zuerst einmal an sich selbst.
Tatsächlich hat diese Aussage einen wahren Kern: In fast allen Menschen ist es angelegt, den eigenen Vorteil nicht ganz zu vernachlässigen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das immer zulasten anderer gehen muss.
Es gibt unzählige Beispiele von Menschen, die ohne eigenen Vorteil anderen helfen. Oder die auf eigene Vorteile verzichten, weil diese anderen schaden würden.
Mit einem zynischen Blick auf diesen Altruismus könnte man sagen, dass auch immer ein gewisser Egoismus dahinter steckt. Wer anderen hilft, fühlt sich danach besser, wertet sich auf, sieht seine Handlung als Erfolg.
Allerdings ist das längst nicht die einzige Motivation für Menschen, um anderen zu helfen. Dahinter stehen auch moralische und ethische Überzeugungen und ein Sinn für Solidarität.
Man könnte also sagen, dass ein gewisser Egoismus im Menschen angelegt ist. Aber längst nicht immer wird dieser zum Nachteil von anderen ausgelebt.
Unterscheidung zwischen Egoismus und Egozentrismus
Zum egoistischen Verhalten gehört immer eine gewisse Bewusstheit. Ein egoistischer Mensch entscheidet sich also absichtlich für den eigenen Vorteil, auch wenn es anderen Nachteile bringen könnte.
Das ist anders beim sogenannten Egozentrismus. Diesen Begriff kennt man vor allem aus der Entwicklungspsychologie. Er bezieht sich also auf die Entwicklung von Kindern.
Diese verhalten sich bis zu einem bestimmten Entwicklungsstand egozentrisch. Sie können nur die eigenen Bedürfnisse richtig wahrnehmen und sich lange Zeit nicht in die Sichtweise anderer hineinversetzen.
Das bedeutet nicht, dass sie keinen Wert auf Fairness oder Gerechtigkeit legen würden. Ganz im Gegenteil: Viele Kinder haben für diese Werte recht früh einen guten Sinn.
Hinter dem Egozentrismus bei Kindern steht die Tatsache, dass diese in den ersten Jahren noch keine Vorstellung vom eigenen "Ich" besitzen. Sie können deshalb nicht zwischen ihrer Perspektive und der von anderen unterscheiden.
Ein Baby weiß zum Beispiel nicht, dass Gegenstände oder Personen weiterhin existieren, wenn es sie nicht sehen kann. Die eigene Wahrnehmung ist die einzige Weltsicht, die es kennt.
Im Lauf der Jahre bildet sich bei einer gesunden Entwicklung der Egozentrismus Schritt für Schritt zurück. Die Kinder und Jugendlichen sind immer besser in der Lage, andere Sichtweisen wahrzunehmen und altruistisch zu handeln.
Unterscheidung zwischen Egoismus und Narzissmus
Egoismus ist ein wichtiger Charakterzug, der auch Narzissten auszeichnet. Echter, krankhafter Narzissmus geht jedoch noch viel weiter.
Narzissten haben einen großen Drang nach Anerkennung und Bestätigung. Ihnen ist es sehr wichtig, dass andere ihre "Großartigkeit" wahrnehmen.
Das kann bei reinen Egoisten anders sein. Wenn es ihnen einen Vorteil bringt, agieren sie gerne im Verborgenen. Ihnen geht es nicht in erster Linie um Ruhm, sondern um ganz unterschiedliche Interessen.
Gemeinsam ist beiden Personengruppen aber ihre Ichbezogenheit und ihr Mangel an Empathie. Sie können sich nicht gut in andere hineinversetzen und empfinden das auch nicht unbedingt als Makel.
Sonderform Institutionen-Egoismus
Es gibt eine Form von Egoismus, der sich nicht auf die einzelne Person bezieht, sondern auf eine Gruppe. Das kann zum Beispiel eine Partei, eine Glaubensgemeinschaft oder ein Unternehmen sein.
Beim Institutionen-Egoismus geht es darum, für diese Gruppe oder Vereinigung Vorteile zu erwirken. Nachteile anderer Personen oder Gruppen werden dabei bewusst in Kauf genommen.
Was gesunder Egoismus ist
Neben dem schädlichen und rücksichtlosen Egoismus gibt es noch eine andere Form: den gesunden Egoismus. Damit ist gemeint, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu achten.
Man kann gesunden Egoismus auch unter den Begriffen "Selfcare" oder "Selbstliebe" zusammenfassen. Diese Themen sind wichtig.
Gesunder oder auch positiver Egoismus hilft dir, dich vor Ausnutzung zu schützen. Er ist außerdem wichtig, um selbst gesund und zufrieden zu bleiben.
Die Unterscheidung zwischen positivem und negativem Egoismus ist nicht immer leicht. Der wichtigste Faktor ist: Beim positiven Egoismus denkst du die Bedürfnisse andere mit.
Dein Bestreben ist es, die eigenen und fremden Bedürfnisse in Einklang zu bringen. Es geht also nicht darum, deine eigenen Anliegen über die von anderen zu stellen. Stattdessen möchtest du ein möglichst gutes Gleichgewicht schaffen, in dem du selbst, aber auch andere zu ihren Rechten kommen.
Merkmale von egoistischem Verhalten
Woran erkennt man, ob sich ein Mensch egoistisch verhält? Die folgenden Merkmale helfen dir weiter. Bedenke allerdings, dass nicht alle Merkmale zutreffen müssen. Kaum ein Mensch verhält sich in jeder Situation egoistisch.
Kein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen
Im Umgang mit einem ausgeprägten Egoisten stimmt das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen nicht. Der egoistische Mensch wird immer wieder versuchen, die Waage zu den eigenen Gunsten zu kippen.
In einer Partnerschaft kann das zum Beispiel bedeuten, dass der egoistische Mensch versucht, sich vor gemeinsamen Aufgaben zu drücken. Diese bleiben dann zwangsläufig an der anderen Person hängen.
Oder es kann bedeuten, dass eine Person im Freundeskreis sich ohne finanzielle Not immer wieder aushalten lässt, aber nur selten selbst etwas ausgibt.
Auch in puncto Zeit und Aufmerksamkeit kann dieses Ungleichgewicht bestehen. Ein egoistischer Mensch fordert unter Umständen deutlich mehr Zeit von anderen ein, als er oder sie selbst zu geben bereit ist.
Natürlich gibt es immer Phasen in einer Freundschaft oder Partnerschaft, in der eine Person bedürftiger ist als die andere. Ein Gleichgewicht bedeutet nicht, alles aufzurechnen.
Aber im Großen und Ganzen sollte sich eine Balance einstellen, wenigstens über die Dauer. Nur dann kann eine Freundschaft oder Partnerschaft auf Augenhöhe entstehen. Mit egoistischen Menschen kann das je nach Ausprägung sehr schwierig sein.
Rücksichtslosigkeit
Egoistisch ist ein Verhalten vor allem dann, wenn andere dadurch Nachteile haben. Wer egoistisch ist, nimmt diese Nachteile bewusst in Kauf und findet sie womöglich sogar gerechtfertigt. Er oder sie geht also rücksichtslos über die Anliegen anderer hinweg.
Auch die Methode kann irrelevant sein. Manche Egoisten lügen und betrügen, um eigene Vorteile aus einer Sache zu ziehen. Dies sind einige Beispiele für rücksichtsloses und egoistisches Verhalten:
- die eigene Schuld auf andere schieben, um nicht für einen Fehler gerügt zu werden
- Tollpatschigkeit und Unwissenheit vortäuschen, um weniger Haushaltsarbeiten übernehmen zu müssen
- sich an der Kasse vordrängeln, weil man nicht warten möchte
- Mängel erfinden, um ein Produkt oder eine Dienstleistung günstiger zu bekommen
- die eigene Wut an anderen auslassen, um sich dann besser zu fühlen
- Hamsterkäufe tätigen, in dem Wissen, dass andere dann wichtige Produkte nicht mehr bekommen
- als junger und gesunder Mensch im Bus sitzen bleiben, obwohl man sieht, dass eine andere Person auf einen Sitzplatz angewiesen ist
- sich von Freunden Geld leihen und dann darauf hoffen, dass es vergessen wird
Wenig Interesse für andere
Egoistische Menschen zeigen unter Umständen wenig Interesse an anderen und ihren Bedürfnissen oder Themen. Solange es keine Vorteile für die egoistische Person bringt oder ihr womöglich sogar Nachteile verschaffen würde, ist es für ihn oder sie eher unwichtig.
Das kann sich zum Beispiel darin zeigen, dass sich Gespräche sehr stark um die egoistische Person drehen. Wenn es um jemand anderen geht, wirkt er oder sie abgelenkt oder desinteressiert.
Egoistische Menschen wissen unter Umständen wenig über die Gewohnheiten, Vorlieben oder Bedürfnisse der Menschen um sie herum. Das kann sogar bei engen Vertrauten gelten.
Egoismus in der Sprache
Auch in der eigenen Sprache können Anzeichen für Egoismus liegen. Das können Sprichwörter sein wie "Jeder ist sich selbst der Nächste“ oder "Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte".
Aber auch in der alltäglichen Sprache finden sich Hinweise. Zum Beispiel prahlen manche Egoisten damit, wie sie andere übervorteilt haben. Oder sie meinen, wer sich ausnutzen lasse, sei selber schuld.
Ein Hinweis kann auch sein, wenn dich eine andere Person ständig unterbricht. Sie oder er findet dann unter Umständen den eigenen Redeanteil deutlich wichtiger als deinen.
Unterschiedliche Maßstäbe
Wer egoistisch denkt, möchte ein größtmögliches Maß an Freiheiten und Vorteilen für sich selbst haben. Anderen gesteht eine solche Person dagegen weniger Rechte zu.
Es kann also sein, dass jemand zwar gerne mal kleine Schulden bei anderen "vergisst", dann aber sehr zornig ist, wenn andere das ebenfalls tun. Wenn dem Egoisten selbst etwas Negatives widerfährt, kann er oder sie sehr emotional reagieren.
Eigene Überhöhung
Wer egoistisch denkt, hat oft eine sehr hohe Meinung von sich selbst. Egoistische Menschen haben manchmal das Gefühl, ihnen stünden die Vorteile zu, die sie sich nehmen.
Viele halten sich für klüger, wertvoller, interessanter oder auf andere Weise besser als ihre Mitmenschen. Daraus leiten sie für sich selbst das Recht ab, die eigenen Vorteile in den Vordergrund zu stellen.
Tipps für den Umgang mit egoistischen Menschen
Es kann eine echte Herausforderung sein, mit Egoisten umzugehen. Aber vermeiden lässt es sich auch nicht immer. Diese Tipps helfen dir.
Bringe egoistische Kleinigkeiten ans Licht
Die meisten Egoisten tun keine großen und auffälligen Dinge, sondern bereichern sich eher im Kleinen. Dadurch ist es gar nicht so einfach, eine Person zu konfrontieren. Vieles passiert "unter dem Radar".
Genau an dieser Stelle kannst du ansetzen: Formuliere offen, was gerade passiert. Mache die Person selbst und auch andere darauf aufmerksam, dass du das Verhalten gerade nicht in Ordnung findest.
Auf diese Weise thematisierst du das Verhalten und die egoistische Person kommt nicht mehr so leicht damit durch. Das ist gerade im Arbeitsumfeld manchmal sehr hilfreich.
Setze klare Grenzen
Im Umgang mit Egoisten solltest du deine persönlichen Grenzen gut kennen. Achte darauf, dass sie nicht übertreten werden. Indem du deine eigenen Grenzen klar formulierst, steckst du die Spielregeln für euch beide ab.
Dadurch wird es leichter, miteinander umzugehen. Sollte die Person trotzdem immer wieder diese Grenzen übertreten, ist es an der Zeit, Abstand zu gewinnen oder die Person klar damit zu konfrontieren.
Stärke dein eigenes Selbstbewusstsein
Wer wenig Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl hat, lässt sich leichter von Egoisten ausnutzen. Um dich zu wehren, brauchst du einiges an Selbstsicherheit.
Dein Umgang mit egoistischen Menschen wird leichter, wenn du an dich glaubst und deine persönlichen Grenzen wichtig nimmst. Die gute Nachricht: Das kann man lernen.
Nimm Abstand zu übermäßigen Egoisten ein
Im Arbeits- oder Vereinsumfeld lässt es sich nicht immer vermeiden, mit Egoisten zusammenzuarbeiten. Im privaten Umfeld solltest du dir allerdings gut überlegen, ob du dich mit stark ausgeprägten Egoisten umgibst.
Wer sehr häufig egoistisch handelt, ist nur schwer zu einer Freundschaft oder Partnerschaft auf Augenhöhe in der Lage. Das sollte dir als Gegenüber klar sein.
Egoisten suchen sich Freundinnen, Freunde und Partner unter Umständen strategisch aus. Sie dienen auf irgendeine Weise der egoistischen Person, meist ohne es zu wissen.
Überlege dir also, ob du wirklich bereit bist, viel Energie in das Zusammensein mit einer egoistischen Person zu stecken. Frage dich ruhig auch mal, was dir persönlich dieser Kontakt bringt.
Es könnte zum Beispiel sein, dass du insgeheim hoffst, einer Person zu helfen und den Egoismus zu "heilen". Das ist jedoch nur in den seltensten Fällen möglich.
Lass dich nicht selbst zum Egoisten abstempeln
Manche Egoisten neigen dazu, anderen Menschen Egoismus vorzuwerfen. Darauf reagieren gerade Personen, denen das Wohl anderer wichtig ist, oft sehr getroffen.
Stell dir zum Beispiel folgende Situation vor: Ein Mann kommt jeden Abend von der Arbeit und zieht sich direkt stundenlang in sein Computerzimmer zurück.
Statt die Kinder zu übernehmen, um die sich den ganzen Tag die Frau gekümmert hat.
Wenn die Frau abends einmal weggehen möchte, wirft er ihr Egoismus vor. Schließlich sei er erschöpft von der Arbeit und könne sich nicht um alles kümmern, nur weil sie Spaß haben will.
Gut möglich, dass die Frau in diesem Beispiel nachgibt und zu Hause bleibt. Und dass, obwohl eigentlich das Verhalten des Mannes egoistisch ist und nicht ihres.
Natürlich könnten die Rollen in dem Beispiel genauso gut umgedreht sein. Auch Frauen können sich sehr egoistisch verhalten, das ist kein typisches Männerproblem.
Sollte dir jedenfalls das Beispiel irgendwie bekannt vorkommen, dann mach dir klar: Der Vorwurf, du seist egoistisch, ist letzten Endes eine Manipulation.
Die andere Person ist vermutlich nur verärgert, weil du dich nicht "ausreichend" um seine oder ihre Bedürfnisse kümmerst. Weil du nicht egoistisch sein möchtest, gibst du dann womöglich nach.